"Bullshit"-Debatte geht weiter: Schwarz-Rot verschärft Streit über Zukunft des Sozialstaats

"Wir sollten das auf diesem Niveau nicht fortsetzen", sagt Friedrich Merz in Richtung seiner Sozialministerin Bärbel Bas.
(Foto: picture alliance / dts-Agentur)
Die Aufwärmphase bei Schwarz-Rot ist vorbei - der Ton wird rauer. Forderungen aus der Union nach Kürzungen am Sozialstaat kommentiert Sozialministerin Bas mit einer deftigen Wortwahl. Auch im Vorfeld des dritten Koalitionsausschusses der Parteispitzen scheinen die Fronten verhärtet.
Vor dem dritten Koalitionsausschuss von Union und SPD in Berlin verschärft sich der koalitionsinterne Streit über die Zukunft des Sozialstaats. Die Union pocht auf Einschnitte im Sozialstaat, die SPD hält dagegen. "Deutschland muss wieder wettbewerbsfähig werden. Das Land braucht tiefgreifende Strukturreformen in allen Zweigen der Sozialversicherungen", sagte Gitta Connemann, Chefin der Mittelstands- und Wirtschaftsunion von CDU/CSU, dem "Spiegel". Die CDU-Politikerin pochte auf Einschnitte: "Die Sozialausgaben wachsen schneller als die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Wenn wir nur zusehen, sind Finanzierungslücken und höhere Lohnnebenkosten vorprogrammiert."
Grundlegende Reformen forderte auch der CDU-Arbeitsmarktpolitiker Kai Whittaker. "Die Menschen zahlen immer mehr und bekommen immer weniger zurück - am Ende fühlen sich gerade die hart Arbeitenden benachteiligt. Das ist gefährlich, und da müssen wir unbedingt als Koalition ran", sagte Whittaker dem Magazin. Der Koalitionsvertrag sei eine gute Grundlage zum Umbau des Sozialstaats, nötig seien aber weitere große Strukturreformen. "Dafür braucht es jetzt Mut und Kompromissbereitschaft von allen Seiten, ohne Denkverbote und mit dem klaren Ziel, die notwendigen Reformen endlich anzupacken", fügte der Bundestagsabgeordnete hinzu.
Die SPD lehnt Einsparungen in den sozialen Sicherungssystemen ab. "Wir werden uns in dieser Frage nicht von der Union treiben lassen", sagte der Bundestagsabgeordnete Helge Lindh. "Wenn der Eindruck erweckt wird, dass Deutschland sich einen Sozialstaat nicht mehr leisten könne, ist das Quatsch." Sparen allein mache die Sozialversicherungssysteme nicht besser.
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Tanja Machalet mahnte im "Spiegel": "Es darf jetzt nicht um Sozialkürzungen gehen - gerade in Zeiten, in denen wir auf der anderen Seite massiv die Verteidigungsausgaben steigern."
Ihr Fraktionskollege Markus Töns warnte vor überzogenen Erwartungen: "Es wird nichts helfen, gegenseitige Forderungen aufzustellen, von denen man weiß, dass sie nicht durchsetzbar sind", sagte Töns dem Magazin. Töns' Rat an die Koalitionäre: "Zum Koalitionsausschuss lässt sich nur sagen, dass sich alle mal jetzt zusammenreißen müssen."
Zank über EinsparmöglichkeitenDie Spitzen von Union und SPD kommen am Nachmittag zu ihrem dritten Koalitionsausschuss zusammen. Es dürfte um das Arbeitsprogramm für das zweite Halbjahr gehen. Die Sommerpause verlief etwas turbulent. Bundessozialministerin Bärbel Bas hatte am Wochenende auf der Landesdelegiertenversammlung der nordrhein-westfälischen Jusos gesagt: "Diese Debatte gerade, dass wir uns diese Sozialversicherungssysteme und diesen Sozialstaat finanziell nicht mehr leisten können, ist - und da entschuldige ich mich jetzt schon für den Ausdruck - Bullshit."
Zuvor hatte Bundeskanzler Friedrich Merz mehrfach erklärt, der Sozialstaat in jetziger Form sei nicht mehr finanzierbar. Im "Stern" hatte Bas ihre "Bullshit"-Äußerung verteidigt und die Kritik an Merz' Aussagen zum Sozialstaat bekräftigt. Forderungen nach Kürzungen am Sozialstaat wies sie erneut zurück. "Und zu sagen, wir müssen die soziale Sicherung streichen, ist falsch. Wir müssen gemeinsam für mehr Wachstum arbeiten, das ist der richtige Weg." Laut Bas sei sich die Koalition einig gewesen, "dass die Leistungen, die wir haben, nicht gekürzt werden".
Vor dem Koalitionsausschuss spielte Merz die Differenzen mit der SPD herunter. Er habe mit Bas gesprochen und gesagt, "wir sollten das auf diesem Niveau nicht fortsetzen. Tun wir auch nicht."
Quelle: ntv.de, gut
n-tv.de